Zurück in der Heimat


Guten Morgen!

Nun ist mein letzter Post auch schon längere Zeit her und es gibt wirklich sehr viel zu berichten. Die wohl größte Veränderung ist, dass ich seit Dienstagabend wieder in Deutschland bin, denn der Coronavirus hat auch vor Ecuador und meinem Freiwilligendienst keinen Halt gemacht. Und auch wenn ich die Entscheidung nachvollziehbar finde, geht es mir mit diesem unvermitteltem Ende alles andere als gut. In diesem Blogpost will ich vor allem meine letzten Tage in Ecuador beschreiben und wie es zu der Entscheidung kam, nach Hause zu fliegen. Andere Blogartikel über meinem Urlaub werde ich dann nach und nach hinzufügen.

Begonnen hat alles am 29. Februar, als der erste bestätigte Fall des COVID-19 in Ecuador, genauer gesagt durch eine rückkehrende Urlauberin in die Provinz Guayas im Südwesten des Landes, auftrat. Ab diesem Zeitpunkt gab es im Kindergarten zur Begrüßung erstmal Desinfektionsmittel auf die Hände und wir wurden dazu angehalten darauf zu achten, dass sich die Kinder wirklich immer die Hände waschen oder desinfizieren.

Da der Virus noch immer nicht Quito angekommen war, ging das Leben ansonsten ganz geregelt weiter. Ich hatte weiterhin Fußballtraining, man konnte feiern gehen und die Busse waren so voll wie immer.

Bis zum Donnerstag, dem 12. März. Selbst an diesem Tag wurde noch gearbeitet, bis der Staat in seiner Pressemitteilung um 11:06 Uhr den sanitären Notstand ausrief und deshalb alle Veranstaltungen (Fußballspiele, Parties, Konzerte, etc.) abgesagt, Schulen, Kindergärten, nicht lebenswichtige Geschäfte und Diskotheken geschlossen wurden. An diesem Tag war ich leider krank zuhause im Bett (nicht mit Corona logischerweise) und konnte mich so wirklich von niemandem verabschieden, denn am Tag davor war von dieser drastischen Entwicklung noch nichts zu erahnen.

Am Freitag mussten wir dann auch nicht mehr arbeiten, weil die Kindergärten ja geschlossen hatten, deshalb half ich etwas im Umweltprojekt mit oder streichelte die Straßenhunde, die auf dem Grundstück der Fundacion wohnen. Außerdem haben wir für den Fall der Fälle ein paar Einkäufe erledigt, da niemand wusste, wie sich die Situation weiterentwickeln wird und ob es nicht doch wieder zu Ladenschließungen kommt (wie es schon beim Paro der Fall war).

Bis zum Samstag hat von uns noch keiner in die Richtung gedacht, dass wir wirklich nach Hause geschickt werden könnten. Natürlich dachte ich kurz daran, dass das Auswärtige Amt so entscheiden könnte, war aber noch sehr optimistisch, dass es wenn überhaupt erst in einigen Wochen soweit sein wird, da Ecuador noch kaum Fälle hatte und da Deutschland selbst noch kaum Maßnahmen zur Verhinderung des Viruses ergriffen hatte.

Als mich am Abend des selben Tages Xime, die für uns zuständige Person bei ICJA in Quito, anrief um zu fragen, ob ich denn, wenn ich die Wahl hätte, zurückfliegen würde, war meine Antwort ein entschiedenes Nein. Schließlich gab es zu diesem Zeitpunkt 28 bestätigte Fälle in ganz Ecuador und davon nur einer in der Provinz der Hauptstadt. Es stand für mich deshalb außer Frage freiwillig zu gehen und ich war immer der Meinung, wenn die Bundesregierung uns wirklich zurückbringen will, schaffen sie es auch kurzfristig mit nichtkommerziellen Flügen. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde der interprovenzielle Verkehr nach und nach eingestellt, nationale Flüge gestrichen und es war absehbar, dass auch die internationalen Verbindungen gekappt werden würden.
Abschiedsgeschenke basteln.

In diesen Tagen erhielten wir gefühlt alle zwei Stunden ein Update der Deutschen Botschaft in Quito, die zunächst nur Urlauber*innen die Rückreise dringend empfahl, wodurch wir davon noch nicht betroffen waren.

Am Montag ging es für mich dann ganz normal arbeiten, denn im Garten gab es immer etwas zu tun und da ich nicht einmal das Grundstück verlassen musste, gab es nichts, was dagegen sprach. Ich war optimistisch, dass ich mich in den nächsten Wochen, in denen der Kindergarten geschlossen hat, mit der Bepflanzung und Renovierung des Lehrpfades beschäftigen kann. Jedoch kam alles anders als gedacht, was ich beim Mittagessen durch einen Blick in mein E-Mail-Eingang herausfand. Dieses Mal war die Mail nicht von der Botschaft, sondern von ICJA. Es hieß, das Bundesministerium für wirtschaftspolitische Zusammenarbeit (BMZ) habe entschieden ausnahmslos alle Freiwilligen, die mit der weltwärts-Förderung des Ministeriums im Ausland sind, zurückzuholen, somit war mein Freiwilligendienst beendet und für mich brach eine Welt zusammen. Ich war ehrlich erschüttert und konnte es wirklich nicht glauben, dass diese Zeit in Ecuador jetzt durch COVID-19 so abrupt enden muss. Zur gleichen Zeit kam die Meldung vom ecuadorianischen Staat, dass es ab dem 17. März (also dem darauffolgendem Tag) eine Ausgangssperre geben wird und man nur noch zum Lebensmittel einkaufen das eigene Grundstück verlassen darf. Zudem erließ die Regierung weitere Beschränkung, wie eine Obergrenze von 40 Personen in einem Supermarkt, einem Mindestabstand von 2 Metern in der Schlange davor und die einschneidenste, die Schließung der Grenzen, sogar für Ecuadorianer*innen.

Erinnerungsbäume pflanzen.
Da wir nun die traurige Gewissheit hatten, dass es für mich nach Hause gehen würde, wollte ich nun wenigstens noch einige kleine Souvenirs kaufen, wenn ich schon meine Freund*innen nicht mehr sehen würde. Zum Glück konnte ich noch einen meiner besten Freunde sehen, der sich dazu bereit erklärte mit mir eine kleine Shoppingtour zu machen. Also ging es erstmal in den Supermarkt um Schokolade und Kaffee, danach auf die Straße um typisch ecuadorianische Snacks wie gebrannte Erdnüsse oder frittierte Erbsen zu kaufen. Außerdem stand noch ein anderer Einkauf an, für den wir ins Einkaufszentrum fahren mussten. Dieses war wirklich wie ausgestorben und im Laden waren wir die einzigen beiden Kund*innen. Ich konnte von Glück sprechen, dass ich noch die beiden Trikots bekommen habe, die ich wollte. Eins von AUCAS (mein Verein in Quito) und eins von der ecuadorianischen Nationalmannschaft. Das größte Glück daran war, dass beide Trikots zu 70 % reduziert waren und ich somit ein wirkliches Schnäppchen gemacht habe.

Das war es dann aber auch mit dem Glück für einige Zeit, denn schließlich musste ich ja wieder zurück nach Deutschland und es gab noch keinerlei Information, wann dies denn überhaupt möglich sei.

Nach diesem Tag begann dann auch die allerschlimmste Zeit. Wie gehabt bekamen wir E-Mails von der Deutschen Botschaft mit täglichen Updates zu kommerziellen Rückholflügen nach Deutschland, wobei uns aber auch gesagt wurde, dass wir als Freiwillige keine Priorität hätten, mit festem Wohnsitz und guter Versorgungslage war unsere Rückholung weniger dringend als die ein*er Tourist*in, da landesweit alle Hostels und Hotels schlossen, lediglich eines am Flughafen in Quito blieb geöffnet.

Wortwörtlich auf gepackten Koffern verbrachten wir also die letzten Tage in unserer WG in Pomasqui (ohne die ich komplett ausgeflippt wäre), trugen uns in Listen von der Botschaft und Lufthansa ein, standen im engen Kontakt zu ICJA und versuchten einfach die letzten Tage noch zu genießen. Letztendlich ging dann alles ganz schnell, als ein Mitfreiwilliger uns am Donnerstag mitteilte, er habe für den kommenden Montag einen Platz in der KLM Maschine nach Amsterdam bekommen. Also haben wir, etwas panisch, versucht den selben Flug zu buchen. Aber einfacher gesagt als getan, denn ich hatte das Geld für die Flugbuchung nicht auf meinem Konto und außerdem waren die Server völlig überlastet, wodurch die Online-Buchung zunächst nicht funktionierte, nach einem weiteren Versuch meines Bruders in Deutschland jedoch endlich geschafft war. Ich konnte es kaum fassen, denn nun war der Rückflug wirklich offiziell und terminiert. Ich hatte meinen Flug nach Deutschland und wusste wann meine unglaubliche Zeit in Ecuador enden würde.

Ein letztes Mal einkaufen.
In diesem Moment brachen abermals die Tränen aus, denn die Art und Weise des Abschieds war einfach unwürdig für die 8 Monate die ich dort mit wundervollen Menschen verbringen und so viel Lernen durfte. Bis dahin hatte ich es absolut noch nicht realisiert, dass es wirklich zu Ende ist und mir die Chance genommen wurde, die letzten Monate voller Erfahrungen zu genießen. Auf der anderen Seite war ich auch froh, denn das ungewisse Warten hatte endlich ein Ende und ich konnte mich darauf freuen, einiges an Luxus wiederzubekommen (Geschirrspüler, Fernseher, 1,40 m Bett, etc.). Auch wenn ich sagen muss, dass mir diese Dinge weniger gefehlt haben, als mir jetzt schon mein ecuadorianisches Leben, vor allem die Kinder und mein Fußballteam, fehlen.

Zum Glück hatte ich die letzten Tage mit meinen Mitbewohner*innen noch Zeit Abschied zu nehmen und wirklich alles zu machen, worauf wir Lust hatten. So frühstückten wir unter Sonnenschein auf unserer Dachterrasse, pflanzten noch Bäume auf unserem Grundstück und "adoptierten" kurzerhand zwei der Straßenhunde, die sich immer auf unserem Grundstück rumtrieben. Wobei man es nicht falsch verstehen darf, wir ließen sie nur in unsere Wohnung, streichelten und spielten mit ihnen, außerdem gaben wir ihnen Wasser, gefüttert haben wir sie nicht, da sie nicht abhängig von uns werden sollten. So gesehen waren diese letzten Tage der beste Abschied mit den beschränkten Möglichkeiten. Wir wuchsen als WG wirklich nochmal zusammen, auch wenn wir uns dadurch jetzt noch mehr vermissen...

Abschließend möchte ich sagen, dass ich froh bin wieder in Deutschland zu sein, trotz all meiner Negativität, die ich in diesem Post beschrieben hab, aber für mich ist diese Situation wirklich nicht einfach, da ich mich so sehr auf die nächsten Monate gefreut hatte, vor allem auf mein erstes Ligaspiel für Aucas, da es am Anfang schwierig war Anschluss zu finden und ich hart dafür gearbeitet hab, mein Spanisch und meine Ausdauer zu verbessern um eine Chance zu haben. Ich musste wirklich einige Male über meinen Schatten springen und dass ich nicht mal die Belohnung genießen durfte, ist einfach sehr frustrierend für mich (aber zu Fußball kommt nochmal ein ganzer Artikel).

Aber trotz meiner damit verbundenen negativen Gefühle, kann ich die Entscheidung des BMZ schweren Herzens nachvollziehen, denn selbst mit den vergleichsweise geringen Fallzahlen (1960 Personen, Stand: 30.03.2020), ist meine Gesundheit, aufgrund der medizinischen Versorgungslage, in Deutschland besser geschützt. Außerdem war unvorhersehbar, welche weiteren Maßnahmen der ecuadoriansche Staat ergreifen würde, wodurch ein Rückholflug zu späterem Zeitpunkt nicht garantiert werden konnte. Auch das Vorgehen der Botschaft fand ich nachvollziehbar und für die Ausnahmesituation in der die Welt momentan ist, sehr abgeklärt und möglichst transparent (auch wenn sie letztendlich nichts für mich gemacht haben). Einfach das Gefühl, dass man nicht vergessen wird und an Lösungen gearbeitet wird, war beruhigend. Auch die Arbeit ICJAs war die letzten Wochen sehr vorbildlich. Nachdem wir während des Paros etwas alleine gelassen wurden, da die Partnerorga in Ecuador es sehr gut im Griff hatte. Ausrichten konnten sie im Endeffekt auch wenig, da wir wie gesagt nicht priorisiert zurückgeholt wurden.

Ich hoffe, irgendjemand liest sich diesen Text bis hier durch, denn er ist wirklich lang geworden und sehr detailiert geschrieben. Trotzdem hoffe ich, dass es euch Spaß macht ihn zu lesen & bei Fragen könnt ihr mir wie immer einfach schreiben!

Liebe Grüße aus dem schönen Vohenstrauß,

Christina!

PS: Ich bin wieder auf meiner alten deutschen Handynummer erreichbar.

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