Paro Nacional


 Hallo,

da auch in den deutschen Medien über den aktuellen Zustand in Ecuador berichtet wurde, will ich die allgemeinen Informationen weglassen und statt dessen gleich mit meinen persönlichen Eindrücken berichten.

Da die öffentliche Berichterstattung hier nicht absolut frei und unparteiisch ist, wussten auch wir relativ wenig über die genauen Ereignisse in Quitos Centro Histórico, wo nahe dem Präsidentenpalast die ersten gewaltsamen Aufeinandertreffen zwischen Demonstrierenden stattfand. Es wurde lediglich über geschlossene Straßen und Proteste Bericht erstattet. Auch die Fotos und Videos waren Aufnahmen von weiter weg, in denen die Gewalt nicht wirklich erkannt werden konnte. Einzig Zahlen über Verletzte Polizisten und Reporter wurde berichtet, Zahlen über Verletzte und Getötete Demonstrierende waren laut Zeitungsangaben nicht vorhanden. 

 Bereits am ersten Tag fand ich Videos, auf denen der Einsatz von Tränengas, Schlagstöcken und Molotowcocktails gezeigt wurde, erschreckend. Diese Explosion an Gewalt auf beiden Seiten war für mich schwer zu begreifen, da ich zwei Tage vorher noch durch die gleichen Straßen gelaufen bin und alles so friedlich und voll mit Touristen war. In den letzten Wochen zeigten Videos und Fotos nur Bilder von Zerstörung, Gewalt und Rauchschwaden von brennenden Autoreifen und Tränengas.
Da die Demonstrationen zu diesem Zeitpunkt konzentriert im Stadtzentrum waren, haben wir außer einigen Straßenblockaden und den nicht fahrenden Bussen nicht wirklich viel mitbekommen. Selbst als ich in das nördliche Stadtzentrum fuhr, war dort von den Protesten selbst nichts zu spüren. Nur die indirekten Auswirkungen, wie weniger Verkehr und einige geschlossene Geschäfte fielen auf. So war ich auch zu keinem Zeitpunkt um meine Sicherheit besorgt, weil die Gebiete in denen die Ausschreitungen und großen Demonstrationen ausschließlich im Süden waren.

Als dann letzten Freitag auch wieder Busse fuhren und wir an diesem Abend sogar ausgingen, dachten wir die größten Ausschreitungen sind vorbei und die Lage würde sich zumindest über das Wochenende stabilisieren. Leider mussten wir feststellen, dass das genaue Gegenteil der Fall war und es Samstag zu den heftigsten, blutigsten und weitgreifensten Protesten des Paro kam. Nun gab es auch bei uns kleinere Proteste und es kam auf der Hauptstraße unweit unseres Hauses zu Straßensperren mit brennenden Reifen. Uns wurde empfohlen sich mit Wasser und Grundnahrungsmitteln einzudecken, da nicht sicher war, ob sich die Lage noch weiter zuspitzt. Als dann noch bekannt wurde, dass das Militär im Zentrum mit scharfer Munition auf Protestierende schießt, hatte ich wirkliche Angst. Ich hatte Angst vor einem Bürgerkrieg, noch mehr Toten und der weiteren Zuspitzung der Versorgungslage im Land. Am Schlimmsten für mich war dann mit Abstand, als ein Video auftauchte, in dem ein Mann vom Militär erschossen wurde, als er sich schutzsuchend hinter Pappe versteckte. Das Video anzusehen war für mich der Schlüsselmoment, in dem ich wirklich bloß noch Zuhause bleiben wollte und warten wollte, bis alles vorbei ist. Die Panik, die in diesem Moment in mir hochkam, versuchte ich zu unterdrücken, weil ich wusste, dass ich im Moment an der Situation nichts ändern konnte und es im Haus am sichersten war. Dennoch fiel es mir schwer zu glauben, dass dies alles in Quito passiert. In den Straßen, in denen ich sonst zum Fußball spielen fahre, in denen wir feiern gehen, in denen wir noch vor 2 Wochen noch Sightseeing gemacht haben, sah in den letzten Tagen aus wie ein Kriegsschauplatz.

Und selbst jetzt, nachdem das Dekret 883 zurückgenommen wurde und der Frieden zwischen Regierung und Protestierenden beschlossen wurde, fühlt es sich nicht an, als ob dieser Frieden von Dauer wäre. Schließlich wurde dadurch die Gewalt und Morde der Polizei und des Militärs nicht ungeschehen gemacht und die Medien sind nach wie vor nicht unabhängig. Somit hoffe ich zwar, dass die Proteste mit diesem Tag ein Ende findet, blicke aber dennoch besorgt auf die weitere Entwicklung.

Falls ihr Bilder von den Protesten sehen wollt, empfehle ich euch @rafaelrodriguezec auf Instagram zu verfolgen. Einige Eindrücke wurden auch von den großen Zeitungen El Comercio und Metro oder der alternativen Zeitung Revista CRISIS Ecuador gepostet. Zudem hat auch die Confederación der indigenen Bevölkerung hier @CONAIE einige Videos und Bilder von den Protesten gepostet.

Bis bald,
Christina











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